Verbraucher:innen sind kritisch gegenüber Kinderlebensmitteln

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In zwei Studien wurden Laientheorien zu Kinderlebensmitteln untersucht. Dabei wurden drei zentrale Beurteilungsdimensionen identifiziert.
Kinder Lebensmittel StockSnap Pixabay

Ergebnisse des Forschungsprojekts „Laientheorien zu Kinderlebensmitteln: Wie Verbraucher:innen Kinderlebensmittel wahrnehmen und beurteilen“

Raphaela E. Bruckdorfer, Oliver B. Büttner und Gunnar Mau

In zwei Studien wurden Laientheorien zu Kinderlebensmitteln untersucht. Dabei wurden drei zentrale Beurteilungsdimensionen identifiziert. Mittels Clusteranalysen wurden vier Gruppen von Verbraucher:innen identifiziert, die sich sowohl hinsichtlich der Annahmen zu Kinderlebensmitteln als auch hinsichtlich Soziodemografie und psychologischer Variablen unterscheiden. Aus den Ergebnissen werden Implikationen für Kommunikationsmaßnahmen im Rahmen der Verbraucherpolitik abgeleitet.

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Einleitung und Problemstellung

Obwohl Kinderlebensmittel häufig nicht an die Ernährungsbedürfnisse von Kindern angepasst sind und mitverantwortlich für Übergewicht gemacht werden, erfreuen sie sich dennoch großer Beliebtheit bei Eltern und Kindern. Bisher ist allerdings kaum bekannt, wie Erwachsene Kinderlebensmittel bewerten oder aus welchen Motiven sie diese kaufen: Werden Kinderlebensmittel als besonders gesund oder geeignet für Kinder bewertet? Oder werden Kinderlebensmittel als ungesund wahrgenommen und nur gekauft, weil sie praktisch sind? Um diesen Fragen nachzugehen führten wir zwei Online-Studien durch: In der ersten Studie wurden Verbraucher:innen bezüglich ihrer Annahmen und Einstellungen gegenüber Kinderlebensmitteln befragt. Basierend auf diesen Daten wurden Segmente von Verbraucher.innen mit unterschiedlichen Laientheorien zu Kinderlebensmitteln identifiziert. In der zweiten Studie wurden Laientheorien zu Kinderlebensmitteln in einer Stichprobe von Eltern mit Kindern bis zu zwölf Jahren untersucht. Mittels eines Choice-Based-Conjoint(CBC)-Ansatzes wurde untersucht, welche Rolle Produktmerkmale wie Nährwertkennzeichnung, Preis, Nützlichkeit der Verpackung und Gestaltung als Kinderlebensmittel bei der Kaufentscheidung spielen, und wie die Gewichtung der Produktmerkmale mit Laientheorien zu Kinderlebensmitteln zusammenhängt.

Ergebnisse

Durch die beiden Online-Studien mit heterogenen Stichproben konnten wichtige Einblicke in die Bewertungen und Einstellungen, die Verbraucher:innen zu Kinderlebensmitteln haben, erzielt werden. Demnach lässt sich die Bewertung der Kinderlebensmitteln von Verbraucher:nnen auf drei zentrale Dimensionen zurückführen: ernährungsphysiologische Qualität, Gesundheit und Nützlichkeit. Ein interessanter Befund ist, dass Gesundheit und ernährungsphysiologische Qualität zwar miteinander korrelieren, aber als separate Dimensionen extrahiert wurden. Auch wenn ein hoher Gehalt von problematischen Inhaltsstoffen erkannt wird, muss dieser also nicht unbedingt zu einer Abwertung eines Lebensmittels als ungesund führen. Mittels Clusteranalysen basierend auf diesen drei Dimension konnten vier Gruppen von Verbraucher:innen identifiziert werden, die sich in ihrer Einschätzung von Kinderlebensmitteln voneinander unterscheiden: Kritische, Enthusiastische, Ambivalente und Gleichgültige. Die vier Gruppen unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich der Beurteilung und Kaufhäufigkeit von Kinderlebensmitteln, sondern auch hinsichtlich soziodemographischer Merkmale, psychologischer Variablen und der Motive beim Lebensmittelkauf.

Handlungsempfehlungen für die Verbraucherpolitik

Verbraucher:innen sind durchaus kritisch gegenüber Kinderlebensmitteln

Die Daten zu Annahmen und Einstellungen gegenüber Kinderlebensmitteln zeigen, dass Verbraucher:innen dem Marketing von Kinderlebensmitteln nicht blind vertrauen, sondern dieses durchaus hinterfragen. Die Befürchtung, dass Verbraucher:innen überwiegend „naiv“ gegenüber dem Marketing von Kinderlebensmitteln sind, wird durch unsere Daten nicht gestützt.

Verbraucher:innen haben unterschiedliche Informationsbedürfnisse

Die insgesamt kritische Einschätzung von Kinderlebensmitteln gilt allerdings nicht für alle Verbraucher:innen. Auffällig ist die Gruppe der Enthusiastischen, welche die höchste Kaufhäufigkeit aufweist und Kinderlebensmittel hinsichtlich gesundheitsbezogener Aspekte am positivsten beurteilt. Gezielte Informationen für diese Gruppe und Lebensmittelkennzeichnungen (wie der Nutri-Score) könnten die Fehleinschätzungen in der Gruppe der Enthusiastischen korrigieren. Eine andere Gruppe, die der Ambivalenten, bewertet Kinderlebensmittel als ungesund, aber nützlich. Sie kaufen Kinderlebensmittel, obwohl sie diese als ungesund wahrnehmen, da sie von den Nützlichkeitsaspekten profitieren. Hier kann der Fokus der Information daraufgelegt werden, wie VerbraucherInnen beim Thema einfache und gesunde Ernährung von Kindern unterstützt werden können (zum Beispiel durch Tipps für einfache und schnelle Zubereitung „normaler“ Lebensmittel, die Kinder gerne essen).

Unterschiedliche Gruppen können unterschiedlich angesprochen werden

Die Gruppen unterscheiden sich nicht nur in der Einschätzung von Kinderlebensmitteln, sondern auch in sozio-demographischen und psychologischen Variablen. So hat die Gruppe der Enthusiastischen beispielsweise jüngere Kinder, legt mehr Wert auf die Präsentation von Produkten und zeigt ein höheres Vertrauen in Intuition. Interessant sind auch die Cluster der Ambivalenten und der Gleichgültigen: Beide Gruppen zeigen eine eher mittlere Kaufhäufigkeit bei Kinderlebensmitteln, unterscheiden sich jedoch in Variablen wie Bildungsgrad und Alter der Kinder. Solche Unterschiede bieten Ansatzpunkte, um die gewünschten Zielgruppen auszuwählen und mögliche Kommunikations- und Informationsmaßnahmen anzupassen

Lebensmittelkennzeichnung gibt Orientierung bei Kaufentscheidungen

Die Lebensmittelkennzeichnung mit dem Nutri-Score wirkt: Dieser war in unserer Studie über alle Entscheidungen hinweg das Produktmerkmal, das die Entscheidung am stärksten beeinflusst hat. Ein wichtiger Befund ist an dieser Stelle, dass dies für alle vier Gruppen von Verbraucher:innen galt. Diese Ergebnisse legen nahe, dass insbesondere Gruppen von Verbraucher:innen, die ein übermäßig positives Bild von Kinderlebensmitteln haben, von einer einfachen Nährwertkennzeichnung profitieren können. Eine leicht verständliche Nährwertkennzeichnung kommt auch der Präferenz für intuitive Informationsverarbeitung in der Gruppe der Enthusiastischen entgegen.

Schlagwörter: Bewertung, Ernährungsverhalten, Kaufmotiv, Kinder, Kinderschutz, Lebensmittel,  Produktgestaltung, Werbepsychologie (STW) | Bewertung, Einstellungsmessung, Ernährungsverhalten, Kinderschutz, Konsumentenverhalten, Marketing (TheSoz)

Über die Autor:innen: Raphaela E. Bruckdorfer, M. Sc.; wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Wirtschaftspsychologie der Universität Duisburg-Essen | Prof. Dr. Oliver B. Büttner; Professor für Wirtschaftspsychologie an der Universität Duisburg-Essen | Prof. Dr. Gunnar Mau; Professor für Psychologie und Vizepräsident Forschung & Lehre der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport, Berlin

Dieses Forschungsprojekt wurde durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft (MKW) des Landes Nordrhein-Westfalen im Rahmen des Kompetenzzentrums Verbraucherforschung (KVF NRW) gefördert. Das KVF NRW war zwischen 2011 und 2020 ein Kooperationsprojekt der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e. V. mit dem Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz (MULNV) und dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft (MKW) des Landes Nordrhein-Westfalen.

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