Projekte Verbraucherforschung NRW 2018

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Hier finden Sie Informationen zu den im Jahr 2018 im Rahmen des KVF NRW geförderten Forschungsprojekten.

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Hier finden Sie Informationen zu den im Jahr 2018 im Rahmen des KVF NRW geförderten Forschungsprojekten. Im Downloadbereich finden Sie nach Abschluss der Projekte die Ergebnisse in Form von Working Papers und Fact Sheets.

Prosuming, Genossenschaften und der Wandel der Verbraucherrollen: Exploration der Schutzpotenziale für VerbraucherInnen durch genossenschaftliche Organisationsformen

Dr. Herbert Klemisch (Wissenschaftsladen Bonn)

Begriffe wie Prosuming und kollaborativer Konsum finden zunehmend Verwendung in der wissenschaftlichen und öffentlichen Diskussion. Zu dieser Sharing Economy gehört, dass sich Menschen Büroplätze (Co-Working), Autos (Carsharing) oder Wohnraum (airbnb) teilen. Der in vielen Fällen damit verbundene gemeinsame Gebrauch ist historisch kein neues Phänomen. So reichen die Ursprünge der Verbraucherorganisation und des Verbraucherschutzes mit genossenschaftlich organisierten Selbsthilfeformen wie Konsumgenossenschaften bis ins 19. Jahrhundert zurück. Neue Konsum- und Nutzungsformen entwickeln sich heute jenseits des klassischen Markt-Kauf-Paradigmas der Verbraucherforschung. Der Anbieter-Nachfrager Dualismus verschwimmt, sobald Verbraucher in die Rolle des Prosumenten schlüpfen. Entsprechend wird ein eindimensionales Verbraucherbild in Forschung und Politik dieser Entwicklung und den verschiedenen Verbrauchergruppen nicht gerecht. Vor diesem Hintergrund lassen sich die durch soziale Innovationen entstandenen neuen Konsum- und Nutzungsformen kaum noch adäquat abbilden, wenn die Grenzen zwischen Produzenten und Konsumenten nicht als durchlässig verstanden werden. Die Verbraucherwissenschaften stehen deshalb u. a. vor der Herausforderung, adäquate Typologien zu bilden, die z. B. eine Einordnung dieser Praktiken zwischen Markt-, Kollektiv- und Hauswirtschaft ermöglichen. Aus dieser Perspektive erscheint es zielführend, einen Blick darauf zu werfen, welche Lösungen Genossenschaften und die Genossenschaftsforschung für das Verstehen und den Schutz solcher hybrider Strukturen anzubieten haben. Der Wissenschaftsladen Bonn versteht sich als Schnittstelle, um in diesem Zusammenhang auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse Bürgerengagement und Verbraucherschutz zu verbinden.

Im ersten Analyseschritt geht es um die Einordnung genossenschaftlicher Organisationsformen als Teil der Sharing Economy. Im Weiteren soll eruiert werden, inwieweit die bewährten Regelungen des Genossenschaftswesens Potenziale für die vielfach vertraglich nicht gesicherten Geschäftsmodelle der Sharing Economy bieten, d. h. zur verbindlichen Regelung eines Erzeuger- Verbraucherverhältnisses beitragen können. Diese Fragestellungen werden exemplarisch für drei Sektoren ausgearbeitet: den Sektor der Bürgerenergie, den Sektor der Solidarischen Landwirtschaft (SoLaWi) und den Sektor des gemeinsamen Wohnens. Dabei wird auch die Anschlussfähigkeit an netzgetriebene Geschäftsmodelle der sogenannten Plattformökonomie untersucht. Endprodukt ist eine explorative Studie auf der Basis von betrieblichen Fallstudien, Literaturauswertung und Sektoralanalysen. Als Ergebnis sind darin verbraucherpolitische Handlungsvorschläge zur Umsetzung von Prosuming Modellen und zur Nutzung genossenschaftlicher Ansätze in den untersuchten Sektoren enthalten.

Nachhaltigkeitsbewertung partizipativer Produktionskonzepte und Entwicklung eines qualitativen Bewertungs-Tools auf der Basis von Zufriedenheit

Prof. Dr. Wiltrud Terlau, Dr. Darya Hirsch und Nicolas Fuchshofen (IZNE - Internationales Zentrum für Nachhaltige Entwicklung, Hochschule-Bonn Rhein-Sieg), Prof. Dr. Wolf Lorleberg und Zoe Heuschkel (Fachhochschule Südwestfalen, Standort Soest)

Nachhaltig wirtschaften, dies zu messen und darüber zu kommunizieren gewinnt an Bedeutung - unabhängig von der Größe eines Unternehmens oder Betriebs. Dabei sind unternehmerische/betriebliche und gesellschaftliche Nachhaltigkeit gleichermaßen wichtig. In einem landwirtschaftlichen Betrieb sind Planungssicherheit und Entwicklungsmöglichkeiten maßgebliche Kenngrößen, wohingegen für die Konsumenten und andere Anspruchsgruppen, Ökologie und Soziales eine besondere Bedeutung haben. Die betriebliche und gesellschaftliche Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen, bedeutet für kleine landwirtschaftliche Betriebe nicht nur Existenzsicherheit im Sinne der eigenen Daseinsvorsorge, sondern auch die Bereitschaft, sich auf neue innovative Formen der Landwirtschaft einzulassen. Ein Beispiel für derartige Innovationen sind ko-produktive bzw. partizipative Modelle der Landwirtschaft, die BürgerInnen aktiv in unterschiedliche Teilbereiche landwirtschaftlicher Erzeugung und Vermarktung einbeziehen.

Ziel des geplanten Vorhabens ist es, die Nachhaltigkeit partizipativer Lebensmittelproduktionskonzepte in NRW mithilfe der Leitlinien zur Nachhaltigkeitsbewertung von Landwirtschaft und Ernährungssystemen (SAFA-Guidelines, FAO) zu überprüfen und den Mehrwert der Partizipation in Bezug auf Vertrauensbildung, Wohlbefinden und Zufriedenheit sowohl für die Verbraucher als auch für die Produzenten zu erfassen.

Der Nutzen und die Innovationskraft des Vorhabens liegen in der ganzheitlichen Messung der Nachhaltigkeit fünf unterschiedlicher ko-produktiver Modelle  – gemeinschaftliche Finanzierung (Regionalwert AG), Selbsternte, Mietgarten, Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi), gemeinschaftliche Vermarktung (Marktschwärmer) –  ausgewählter partizipativ wirtschaftenden Landwirtschaftsbetrieben in NRW. Zusätzlich wird ein neues qualitatives Bewertungs-Tool entwickelt, um weiche Faktoren, wie Vertrauen, Wohlbefinden und Zufriedenheit zu untersuchen. Damit leistet das Vorhaben einen innovativen Beitrag zur Methodenentwicklung in der interdisziplinären und transdisziplinären Verbraucherforschung und entwickelt Ansätze für eine verbesserte Verbraucherarbeit und -bildung.

Kosten strukturierter Finanzprodukte im Lichte des Anlegerschutzes zehn Jahre nach der Finanzkrise – Wie verstehen und berücksichtigen Kleinanleger Bankeninformationen in Verkaufsprospekten?

Prof. Dr. Rainer Baule (FernUniversität Hagen)

Privatanleger sehen sich vor einer Investitionsentscheidung einer Fülle unterschiedlicher Anlagemöglichkeiten gegenüber. Will man sich nicht blind auf die Beratung in der Regel nicht unabhängiger Bankmitarbeiter verlassen, so ist eine verlässliche Information über die Funktionsweise von Anlageprodukten sowie deren Chancen, Risiken und Kosten unerlässlich. Das Projekt fokussiert auf die Information der Verbraucher in Verkaufsprospekten, Broschüren und Informationsblättern der Banken, wobei das Marktsegment der strukturierten Finanzprodukte im Mittelpunkt steht.

Strukturierte Finanzprodukte sind Investitionsobjekte, deren Rückzahlung von der Wertentwicklung eines oder mehrerer Basiswerte(s) wie etwa Aktien, Währungen oder Rohstoffe abhängt. Insbesondere in Deutschland werden derartige Produkte häufig unter dem Begriff „Zertifikate“ explizit für kleine private Anleger angeboten und erfreuen sich großer Beliebtheit. Dabei stehen das Marktsegment als Ganzes und die anbietenden Banken immer wieder in der Kritik insbesondere von Verbraucherschützern. Kritisiert werden die für Privatanleger teilweise kaum durchschaubare Komplexität der Produkte, die undurchsichtige Preisstellung und Kostenstruktur sowie mangelhafte bis hin zu irreführender Information in Verkaufsprospekten und Angebotsbroschüren. In den letzten Jahren haben daher nationale und internationale Regulatoren vermehrt Vorschriften bezüglich einer standardisierten und transparenten Darstellung von Informationen bei strukturierten Finanzprodukten mit besonderem Schwerpunkt auf der Kostenstruktur erlassen.

Inwieweit solche Standardisierungen und Regulierungen von Verbraucherinformationen die gewünschte Wirkung erzielen – nämlich ein Bewusstsein für (auch versteckte) Kosten zu schaffen, Produkte verständlicher und vergleichbarer zu machen und so eine fundierte Anlageentscheidung zu begünstigen, hängt entscheidend davon ab, wie die Informationen vom potenziellen Anleger wahrgenommen werden. Das Projekt widmet sich dieser Thematik mit einer Fokussierung auf die Kostenstruktur. Eine Kostentransparenz war ein wesentliches Element der zu Beginn des Jahres EU-weit in Kraft getretenen sogenannten PRIIPs-Verordnung, welche die Standardisierung von Verbraucherinformationen durch Einführung eines Basisinformationsblattes für eine Vielzahl von Anlageprodukten zum Ziel hatte. Im Rahmen des Projekts wird untersucht, inwieweit potenzielle Investoren auf die diesbezüglichen Informationen in den Produktinformationsblättern reagieren und ob die bestehende Regulierung im Sinne des Verbraucherschutzes die Transparenz erhöht und somit Vorteile für private Investoren bietet.

Vergleichsplattformen im Internet: Anreize zur Nutzung von Verbraucherdaten und ihre Regulierung aus Sicht des Verbraucherschutzes

Prof. Dr. Felix Höffler (†) | Nachfolger: Prof. Dr. Steffen J. Roth (Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln, IWP)

Immer mehr Verbraucherverträge werden über das Internet angebahnt und abgeschlossen. Dabei spielen Preisvergleichsplattformen eine wichtige Rolle. Diese Portale nehmen bei der Vermittlung der Verträge eine Maklerrolle ein. Das gängige Geschäftsmodell einer solchen Plattform besteht darin, der Konsumentenseite einen gelisteten Überblick über Vertragsangebote zu liefern und im Anschluss den vom Konsumenten präferierten Vertrag zu vermitteln. Für diese Dienstleistung wird die Plattform im Regelfall vom Verkäufer vergütet.

Verbreitete Verbraucherverträge sind zeitlich befristete Liefervereinbarungen für Güter der Grundversorgung wie Strom, Gas oder auch Telekommunikation. Fast alle Verbraucher kaufen diese Güter. Bei Ihnen spielt wegen der hohen Homogenität des Produktes der Preis eine sehr wichtige Rolle, weshalb Preisvergleichsseiten besonders hilfreich sein können. Bei einer entsprechenden Suchanfrage auf einem Vergleichsportal und dem Vertragsabschluss über die Plattform hinterlassen die Konsumenten neben Daten zu Wohnort oder Verbrauchswerten auch weitere wichtige Informationen: So verrät das Datum des Besuchs bzw. des vermittelten Vertragsabschlusses das wahrscheinliche Enddatum des Vertrages (12 oder 24 Monate später).

Kann oder soll eine Vergleichsplattform diese Information nutzen, um z. B. a) den Verbraucher zu gegebener Zeit auf das nahe Ende des Vertrages hinzuweisen und die Plattformdienste erneut anzubieten oder b) die Information über das nahende Vertragsende an mit dem laufenden Verkäufer konkurrierende Anbieter zu verkaufen, die dann vor Ablauf der Kündigungsfrist des Vertrages Konkurrenzangebote unterbreiten? Was davon nützt der Plattform? Was nutzt den Verbrauchern? Profitieren Verbraucher davon, wenn sie durch aktive Erinnerungen automatische Vertragsverlängerungen zu schlechteren Konditionen (bspw. durch entfallende Rabatte) vermeiden? Oder ist es im Sinne der Verbraucher, die Nutzung oder Weitergabe dieser Daten zu beschränken?

Jede erfolgreiche Regulierung im Sinne des Verbraucherschutzes muss auf einem guten Verständnis des Marktes und der Interessen der Marktakteure aufbauen. Ziel dieses Forschungsprojekts ist es daher zu verstehen, welche ökonomischen Anreize für die Preisvergleichsplattformen bei der Nutzung oder Weitergabe von Konsumentendaten zu Vertragslaufzeiten bestehen. Darauf aufbauend soll in diesem Projekt untersucht werden, wie die Verbraucherseite von der zu erwartenden Strategie einer Vergleichsplattform betroffen wäre und welche Regulierungsoptionen sinnvoll erscheinen.